Wildtier gefunden - was nun?

Es wohl kaum möglich, niemals ein Wildtier zu finden, das unsere Hilfe benötigt. Die bei Sturm aus dem Nest gefallene junge Amsel, die von der Katze stolz nach Hause gebrachte Fledermaus, die gegen die Fensterscheibe geflogene Ringeltaube oder der angefahrene Igel – all das löst viele Emotionen aus und endet meist bei dem Gedanken, dass man helfen möchte. Doch was ist sinnvoll? Kann ich überhaupt helfen und wenn ja, wie?

Als Entscheidungshilfe und Anleitung soll diese Checkliste dienen. Denn bei der überaus löblichen Rettungsaktion kann viel schiefgehen. Oft ist gerade bei Wildtieren weniger mehr und es gibt einiges zu beachten, bevor man loslegt.

Es gilt: Augen auf und Kopf an! Erst beobachten, dann planen, dann handeln! Sonst hat der Spatz in der Hand einen gebrochenen Flügel mehr und man wünscht sich, man wäre nicht zur Taube aufs Dach gestiegen.

Ricke zu Besuch im Garten

Grundlagen

 

Wildtiere gehören niemandem! Es ist erlaubt, erkrankte bzw. verletzte Wildtiere kurzfristig zur Pflege aufzunehmen, aber es ist verboten, sie zu behalten!

 

Oberstes Ziel ist es daher immer, ein Wildtier wieder auszuwildern. Die Wildbahntauglichkeit sollte ein Experte (Tierarzt, Wildtierpfleger) feststellen.

 

Für manche Wildtiere gelten besondere Gesetze (z.B. Jagdrecht b. Rehen, Hasen, Greifvögeln) oder es ist verboten, sie wieder auszusetzen, da sie als sogenannte invasive Art gelten (z.B. Waschbär, Marderhund).

 

Die folgenden 5 Fragen sollte man unbedingt einmal im Kopf durchgehen, bevor man bei einem Wildtier Erste Hilfe leistet. Die entsprechenden Erläuterungen finden Sie direkt darunter.

Sperberweibchen

1. Was für ein Tier ist das?

 

Ist das überhaupt ein Wildtier?

Und wenn ja, was für eins?

Eine entlaufende Katze oder ein entflogener Kanarienvogel wird bestimmt vermisst, als erstes sollten die Nachbarn gefragt werden! Zum Mikrochip, Tätowierung oder Ringnummer ablesen kann ein Tierheim oder eine Tierarztpraxis aufgesucht werden.

Bei einem Wildtier ist es sehr wichtig, dass man zumindest ungefähr erkennen kann, um was es sich für ein Tier handelt. Einen Igel oder eine Fledermaus erkennt wohl jeder, aber wie ist das bei den Wildvögeln? Schwalbe oder Mauersegler? Falke oder Sperber?

Je nach dem, um was für ein Tier es sich handelt oder wie alt es ist, braucht es vielleicht gar keine oder ganz dringend Hilfe. Zudem ist es immer gut zu wissen, wie gefährlich das Tier mir selbst werden könnte! Naturführer oder die Gartenvogelporträts auf www.NABU.de können dabei wertvolle Unterstützung bieten.

Amselweibchen am Nest

2. Braucht das Wildtier wirklich Hilfe?

 

Besonders vollbefiederte Jungvögel sitzen „untrainiert“ noch viel auf der Erde und können scheinbar nicht fliegen. Sie befinden sich in der sogenannten Bettelflugphase und werden noch von den Eltern gefüttert. Diese sollte man daher dort lassen, wo sie sind, ggf. nur in Sicherheit bringen (erhöhter Platz, Katze einsperren) und von weitem beobachten. Es kann einige Zeit dauern, bis die Eltern sich wieder dazu trauen!

Auch junge Rehe und Feldhasen werden von ihrer Mutter versteckt abgelegt und nur in der Dämmerung gesäugt. Diese noch so niedlichen Tiere sollten nicht angefasst werden. Lieber dem zuständigen Jagdpächter oder Landbesitzer Bescheid geben, damit sie gegebenenfalls an einen sicheren Platz gebracht werden können.

Noch nicht flügge Vögel, die aus dem Nest gefallen sind, können hingegen ohne Probleme behutsam hochgehoben und ins Nest zurückgesetzt werden, sofern sie unverletzt sind.

Rabenkrähe mit gebrochenem Flügel

3. Kann ich sinnvolle Hilfe leisten?

 

Ist ein Wildtier offensichtlich verletzt oder erkrankt (z.B. Blutungen, Bein oder Flügel kann nicht benutzt werden, starker Zeckenbefall, Abmagerung), dürfen wir durchaus Hilfe leisten.

Leichtere Verletzungen, Parasitenbefall oder Erschöpfung können meist gut behandelt werden, sodass das Tier schnell wieder in die Natur entlassen werden kann. Ist das Tier sehr schwer erkrankt oder verletzt, ist es oft besser, es einzuschläfern als es ohne Aussicht auf Heilung und damit Freiheit einzusperren. Das sollte ein Tierarzt oder ein erfahrener Wildtierpfleger beurteilen. Eine Tierarztpraxis ist daher ein sinnvoller erster Anlaufpunkt mit einem gefundenen Wildtier. Bitte kündigen Sie Ihren Besuch dort vorher an, damit Sie nicht vor verschlossener Tür stehen und in der Praxis schon Vorbereitungen zur Versorgung getroffen werden können.

Sollte das Wildtier noch einige Pflege brauchen, stellt sich die Frage, wer das übernimmt. Wildtierauffangstationen (siehe Links unten) sind rar gesät und meist nicht in unmittelbarer Nähe. Habe ich selbst die Zeit und Möglichkeiten, das Tier zur Pflege aufzunehmen? Traue ich mir das zu? Wenn nicht, werde ich dafür sorgen, dass es gut unterkommt? Sollte man gerade auch die letzte Frage mit „Nein“ beantworten, kann es manchmal gnädiger sein, der Natur und möglichen Beutegreifern seinen Lauf zu lassen und dem Wildtier den Stress des Einfangens und Transportes zu ersparen. Nur wenn ich schon weiß, was ich mit dem Tier anschließend mache, sollte ich es einfangen!

Junger Igel

4. Wie transportiere ich das Tier?

 

Bevor man ein Tier fängt, sollte man sich Gedanken machen, wie man es zum Tierarzt bekommt. Der Transport in der Hand ist nicht nur unpraktisch und für das Tier äußerst stressig, sondern kann auch gefährlich werden!

Für die meisten kleineren Tiere wie Vögel oder Igel eignen sich stabile Kartons oder auch eine Katzentransportbox, die mit Handtüchern verdunkelt wird. Als Unterlage und Polster können Zeitungs- oder Küchenpapier dienen.

Achtung: Einige Wasservögel wie Enten, Gänse und Schwäne setzen derart flüssigen Kot ab, dass ein dünner Pappkarton schnell durchweicht ist!

Auch wenn gerade einer zur Hand ist, sollte man Wildvögel nicht in einen Vogelkäfig setzen! An den Gitterstäben zerstören sie sich schnell das Gefieder, sodass sie nicht mehr fliegen können.

Kormoran beim Gefiedertrocknen - völlig gesund!

5. Wie fange ich das Tier?

 

Beim Fangen eines Wildtieres dreht sich alles um die Verletzungsgefahr und zwar für Mensch und Tier. Im Zweifelsfall sollte man immer um Hilfe bitten und wenn das nur bedeutet, sich noch einmal ein paar Tipps vom Experten zu holen.

Bevor man sich an das Fangen macht, sollte man die dazu passende Umgebung schaffen. Es ist zwar sehr edelmütig, einen angefahrenen Vogel von der Straße holen zu wollen, aber natürlich darf man dabei nicht selbst unter die Räder geraten! Vorbeifahrende Autos sollten also gewarnt und ggf. angehalten werden, bevor man auf die Straße läuft. Außerdem können auch hier „zu viele Köche den Brei verderben“, besonders wenn es sich dabei um den eignen Hund oder Katze handelt. Diese Helfer also zuerst anleinen bzw. einsperren, man kann sich schließlich nicht um alle gleichzeitig kümmern.

Auch beim Einfangen lohnt sich ein methodisches Vorgehen und gute Kommunikation, damit es auch wirklich gelingt und sich nicht alle gleichzeitig von einer Seite auf das arme Tier stürzen. Zudem sollten mögliche Fluchtwege von vornherein versperrt werden. Eine noch so verletzte Ente, die einmal auf einen See entkommen ist, holen Sie dort nicht mehr runter!

Gerade das Wildvogelgefieder und die Flügel müssen beim Ergreifen unbedingt geschont werden, damit der Vogel seine Flugfähigkeit behält. Verletzungen treten auf, wenn der Vogel wild flattert und dabei auf ein Hindernis stößt: Das kann auch die helfende Hand sein. Daher sollten die Flügel immer eng am und mit dem Vogelkörper zusammen gehalten werden, entweder mit der Hand bei kleinen Vögeln oder Decken und Handtüchern bei größeren. Niemals darf ein Vogel nur an seinen Flügeln gepackt werden! Das Brustbein hingegen braucht Bewegungsfreiheit, da Vögel mit seiner Hilfe atmen. Vögel sollten daher immer von hinten gefasst werden, dann bleibt die Brust frei und man hat gleichzeitig die Flügel gesichert.

Aber auch uns können Wildtiere Verletzungen beibringen. Bei Mardern und anderen Raubtieren denkt natürlich jeder sofort an die Zähne, Greifvögel hingegen nutzen je nach Art (bes. Eulen) auch gerne die Krallen als Waffen zur Verteidigung. Daneben können auch Möwen, Rabenvögel und Finken (z.B. Kernbeißer, Dompfaff) sehr kräftig zubeißen. Reiher und Störche setzen ihren Schnabel im Gegensatz dazu eher wie eine Harpune ein und stechen bevorzugt nach den „fischartig“ glänzenden Augen. Schwäne und Gänse drohen zwar viel mit dem Schnabel, wirklich gefährlich ist aber ihr kräftiger Flügelschlag, der äußerst schmerzhafte Prellungen verursachen kann.

Fledermäuse können Träger der inzwischen glücklicherweise seltenen Tollwut sein, daher ist Vorsicht geboten. Sie sollten niemals mit der bloßen Hand sondern immer nur mit Handschuhen oder Handtüchern aufgehoben werden! Die Tollwutimpfung von Hund und Katze schützt diese nicht nur vor der tödlichen Krankheit sondern auch vor den rechtlichen Konsequenzen, falls diese einmal eine mit Tollwut infizierte Fledermaus erbeuten sollten.

Amphibien sollten möglichst nicht mit bloßer Hand angefasst werden, da wir leicht ihre empfindliche Haut schädigen und mit Krankheitserregern infizieren können.

Erschöpfte Steinhummel saugt Zuckerwasser

Zusatzfrage: Wie kann ich selbst Erste Hilfe leisten?

 

Wenn man nicht sofort zum Tierarzt kommt oder das Wildtier auf den ersten Blick keine schweren Verletzungen wie Blutungen, einen hängenden Flügel oder ein gebrochenes Bein aufweist, kann man sich auch selbst als Ersthelfer betätigen.

Große und potentiell gefährliche Wildtiere wie Rehe, Marder, Greifvögel, Eulen, große Wasser- und Stelzvögel gehören allerdings immer in Expertenhand! Zudem greift bei ihnen meist das Jagdrecht und der zuständige Jagdpächter muss informiert werden, damit man nicht zum Wilderer wird.

Jungtiere wie z.B. junge Fledermäuse sind von ihrem ersten Ausflug manchmal auch nur so geschwächt, dass ihnen ein paar Stunden Ruhe gut tun und sie in der nächsten Dämmerung wieder munter weiterflattern. Entweder lässt man sie dort, wo man sie gefunden hat (an der Wand hängend), bringt sie in Sicherheit (erhöht) oder lässt sie über Tag in einem dunklen, gepolsterten Karton verschnaufen. Man kann ihnen auch etwas Wasser in einer flachen Schale (z.B. Schraubglasverschluss) oder aus einer Pipette anbieten. In der Dämmerung sollten sie etwas erhöht (Mauer, Schuppendach o.ä.) wieder ausgesetzt werden. Genauso kann man auch Vögel versorgen, die z.B. nach einem Aufprall benommen vor einem Fenster sitzen. Sie sollten am besten morgens wieder in die Freiheit entlassen werden (Ausnahme: Eulen).

Artgerechtes Futter wird besonders dann benötigt, wenn man ein Jungtier gefunden hat oder ein Wildtier länger pflegt. Die genaue Beschreibung eines jeden Futters für jedes Tier würde hier den Rahmen sprengen, daher nur einige Beispiele:

Ganz junge Wildkaninchen, Eichhörnchen oder Igel dürfen nicht mit normaler Kuhmilch gefüttert werden, sie vertragen sie nicht! Als erste Energiezufuhr kann man ihnen Fencheltee mit etwas Traubenzucker anbieten. Viele Wildtiere nehmen jedoch schneller festes Futter zu sich, als man meint.

Wildkaninchen und Feldhasen dürfen auf keinen Fall handelsübliches Fertigfutter für Kaninchen oder Brot bekommen! Das finden sie in der freien Wildbahn auch nicht, sie ernähren sich überwiegend von Gras und Kräutern! Grünfutter und Heu sind für unsere Hauskaninchen nebenbei auch das Beste…

Vorsicht mit Meisenknödeln! Tauben beispielsweise sind beinah reine Körnerfresser, zu viel Fett führt bereits im Kropf zu gefährlichen Verstopfungen! Ihnen kann man Haferflocken, Sonnenblumenkerne oder getrocknete Erbsen und Linsen anbieten.

Beutegreifer, egal ob Marder oder Eule, fressen ihre Beute in der Regel komplett auf. Eine reine Fleischfütterung führt zu Mangelerkrankungen wie z.B. brüchigen Knochen.

Türkentaube

Noch Mut? Wenn ja, nichts wie ran, ans Wildtierretten!

In der Regel haben ja wir Menschen mit vielbefahrenen Straßen, bis zur Sterilität gepflegten Gärten und riesigen Monokulturen ihre Probleme verursacht, da können wir uns gerne ein bisschen revanchieren!

Doch da Vorsorge natürlich immer besser ist, hilft Ihnen der NABU mit Tipps und Tricks gerne dabei, die Welt für die Wildtiere ein bisschen besser zu gestalten. Ohne die Schuld nur auf die „Großen“ in Politik und Wirtschaft zu schieben, können wir im eigenen Garten oder Balkon ganz einfach selbst damit beginnen.

 

 

Erste Hilfe zusammengefasst:

  • sichere Umgebung schaffen (Hund, Katze, Autos)
  • verletztes/geschwächtes Wildtier vorsichtig einfangen
  • Tiere (bes. Jungtiere) ohne offensichtliche Verletzung zuerst immer an einem sicheren Platz in der Nähe des Fundortes unterbringen u. aus großer Entfernung beobachten
  • ggf. Unterbringung in Pappkarton od. verdunkelter Katzentransportbox
  • Wasser anbieten
  • evtl. Futter anbieten, natürlich nur artgerecht!
  • mit verletztem Wildtier so bald wie möglich zum Tierarzt, ansonsten spätestens am nächsten Tag Auswilderung (s. Stichpunkt 3)

 

Text und Bilder: A. Stahlhut

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